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             NOOCHRICHTE 
              47 (März 1997) 
            Interview 
              mit Eric Bertels  
                
              
            
            Am 
              28. Januar wurde im Restaurant Rialto der Öffentlichkeit ein 
              Stadtplan für Rollstuhlfahrer vorgestellt. Herausgegeben wurde 
              dieser von der PRO INFIRMIS Basel-Stadt (PI). Wir haben 
              dies zum Anlass genommen, uns mit Eric Bertels, Fachberater für 
              hinternissfreies Bauen bei der PI, über den Stadtplan und über 
              seine sonstige Arbeit zu Unterhalten.  
              Herr Eric Bertels ist von Beruf Innenarchitekt und arbeitet seit 
              5 Jahren (Anfangs 20 %, seit 3 1/2 Jahren 50 %) bei der Pro Infirmis.
            Dies 
              ist nicht der erste Stadtplan ?
            E.B.: 
              Nein! Der erste Stadtplan kam 1989. Das Echo war enorm gut; innerhalb 
              1 Jahr waren diese Pläne vergriffen ( 2'000-2'500 Stück 
              ). Wie aber die Akzeptanz wirklich war, kann ich nicht beurteilen. 
              Das einzige was ich sagen kann, dass der alte Stadtplan didaktisch 
              nicht sehr gut war; vor allem in der Lesbarkeit. Dazumal hatten 
              wir aber keine Erfahrungen in diesem Bereich. Das war das erste 
              Mal, dass ich so etwas gemacht hatte. Auch gab es keine vergleichenbaren 
              Instrumente . In Deutschland gab es zwar etwas ähnliches, aber 
              die hatten ganz andere Voraussetzungen.  
            Kannst 
              Du uns ein Beispiel aufzeigen, wie sich der alte und neue Stadtplan 
              unterscheiden ?
            E.B.: 
              Ein Beispiel ist das Rollstuhl-WC im Pfauen. Es gab einfach ein 
              Piktogramm auf dem alten Plan und daneben stand Pfauen, dass war 
              leider zuwenig. Man wusste nicht welches Stockwerk, welches Gebäude 
              etc. Dieser Plan hat mich nie befriedigt, da ich gemerkt habe, dass 
              zusätzliche Informationen nötig sind. 
            Stadtplan 
              kontra Behindertenführer? Nach unseren Informationen sollte 
              dieses Jahr ein neuer Behindertenführer auf den Markt kommen. 
              In welchen Kriterien unterscheiden sie sich und wo ergänzen 
              sie sich ? Gab es eine Zusammenarbeit zwischen den beiden ?
            E.B.: 
              Ein Stadtführer ist ein grosses Werk, dass von der Erhebung 
              bis zum Erscheinen sehr viel Zeit in Anspruch nimmt. Zum Zeitpunkt, 
              in welcher der Führer in der Regel auf den Markt kommt, ist 
              er praktisch wieder veraltet. Das heisst, er hat schon wieder viele 
              Fehler. Zudem habe ich mich auch bei vielen Behinderten über 
              den Führer erkundigt und musste aber dabei feststellen, dass 
              viele einen bestellen, aber ihn nicht gebrauchen. 
            Dabei 
              kam mir die Idee, dass man mehr Information auf den Stadplan integrieren 
              könnte, diesen kann man immer in einer Tasche/Portemonnaie 
              etc. mitnehmen, und er ist somit bei Gebrauch zu jeder Zeit verfügbar. 
              
            Vor 
              ca .2 Jahren habe ich Kontakt mit dem SIV aufgenommen und ihm gesagt, 
              dass ich einen neuen Stadtplan machen werde. Wir haben schriftlich 
              festgelegt, dass ich für den Stadtplan verantwortlich bin und 
              der SIV für den Führer. Meiner Meinung nach sollte man 
              sich aber in verschiedenen Sachen absprechen, z.B. Inhalt, Einteilung, 
              Rollstuhlgänigkeit- was bedeutet Rollstuhlgänigkeit? etc. 
              Leider habe ich aber vom SIV nichts mehr gehört.  
            Für 
              welche Person ist der Stadtplan?
            E.B.: 
              Der Hauptansatz des Stadtplans ist, dass er auswärtigen Personen 
              dient. Leute, welche sich 1-2 Tage in Basel aufhalten und sich unser 
              kulturelles Gut anschauen möchten. Diese sollten eine ganz 
              einfache Informationhilfe zur Hand nehmen können, wo sich die 
              Parkplätze befinden, wie und wo finde ich ein WC, wo ist das 
              Informationszentrum etc. Das ist eigentlich das Hauptanliegen. Das 
              sind natürlich nicht unermesslich viele. Darum habe ich immer 
              gefunden, dass die Leute von Auswärts das Hauptzielpublikum 
              sind, aber er sollte auch für alle, welche hier wohnhaft sind, 
              eine einfache Hilfe sein. 
            Wird 
              er auch dementsprechend verteilt? 
              Ich denke da speziell an die SBB. Dies ist oft ein Ort, an den sich 
              Behinderte bei Reisen zwangsläufig wenden müssen. 
            E.B.: 
              Er wird an allen Stellen, welche Anlaufpunkte für Touristen 
              sind, aufliegen. Zur Zeit bin ich noch nicht ganz so weit mit dem 
              Verteilen. So fehlt zum Beispiel noch die Tankstelle beim Autobahnzoll 
              Weil. 
            Ist 
              Dein Arbeitspensum ausreichend ?
            E.B.: 
              Ja, das Bauvolumen hat in den letzten Jahren extrem abgenommen und 
              da wir noch kein richtiges Baugesetz haben, das irgendetwas vorschreibt, 
              ist es immer noch so bei den Architekten, dass man sie stimulieren 
              muss, damit sie etwas machen und dass kann man nur in einem ganz 
              bestimmten Teilbereich von diesem Thema. Wenn es einmal ein Baugesetz 
              gibt, reicht mein heutiges Pensum sicherlich nicht mehr, weil eine 
              Kontrollfunktion dazukämme. 
            Vor 
              Jahren wurde aus Behindertenkreisen zusammen mit der SP in Baselstadt 
              eine Bauinitiative eingereicht. Die IVB war an diesem Vorhaben auch 
              beteiligt. Wie ist der Stand zum heutigen Zeitpunkt.
            E.B.: 
              Nach der Gültigkeitserklärung der Initiative ging diese 
              im Baudepartement zum damaligen Regierungsrat Stutz. Er hat bei 
              der Revision des neuen Baugesetztes unsere Anliegen berücksichtigt. 
              Es liegt heute ein guter Entwurf vor, der von allen Institutionen 
              befürwortet wird. Der Entwurf liegt bei der Raumplanunskommision 
              des Grossen Rates. Hier werden zur Zeit die letzten Details bearbeitet. 
              Der Entwurf geht weiter als die damaligen Forderungen der Behinderten, 
              und wenn dieser Entwurf angenommen wird, haben wir wahrscheinlich 
              eine der besten Bestimmungen zum behindertengerechten Bauen in der 
              Schweiz. 
            Ist 
              es richtig, dass die Bauinitiative noch nicht zurück gezogen 
              wurde?
            E.B.: 
              Ja, denn erfüllt ist sie nicht. Wir können uns für 
              den Moment damit zufrieden geben, dass in der Revision alle Anliegen 
              berücksichtigt sind und das neue Baugesetz noch nicht durch 
              die entsprechenden politischen Instanzen durch ist. Zurückgezogen 
              wird sie erst, wenn das neue Baugesetz, so wie es jetzt vorliegt, 
              in Kraft tritt.  
            Wann 
              kommt das neue Baugese
            E.B.: 
              Dies ist schwierig zu sagen. Das neue Baugesetz muss zuerst noch 
              vor den Grossen Rat. Dieser wird ca ein halbes Jahr brauchen und 
              danach wird wahrscheinlich noch das Volk darüber abstimmen 
              müssen.  
            Was 
              hat Dir am meisten Freude bereitet in Deinen 5 Jahren Tätigkeit 
              bei der PI?
            E.B.: 
              Behindertenfreundliches Bauen hat bei der Arbeit der Architekten 
              in den letzten Jahren einen Stellenwert erhalten. Hier hat in den 
              letzten 5 Jahren ein Sinneswandel stattgefunden. Heute wird diese 
              Problematik berücksichtigt unter dem Aspekt, was ist machbar. 
              Hier fanden konkrete Veränderungen statt. Vor 10 Jahren war 
              das noch Brachland. Was mich hingegen ärgert; Es gibt immer 
              noch ein paar Architekten, die die Gestaltung der Bauten über 
              alles setzen. Ihr grosser Bau-Entwurf, ihre Vorstellungen, wie das 
              Gebäude aussehen muss, stehen über allem. Alles andere, 
              so zum Beispiel behindertengerecht bauen, wird der Gestaltung untergeordnet. 
            Heisst 
              das künstlerische Freiheit vor behinderten Bedürfnissen?
            E.B.: 
              Absolut. Bei der Planung gehen einzelne Architekten nicht davon 
              aus: Behindertengerechtes Bauen ist wichtig und wie setze ich das 
              künstlerisch um, sondern ihr Bau-Entwurf ist das Wichtigste. 
              Herr Renzo Piano, der in Riehen das Beyeler Museum baut, sagt; Der 
              Entwurf ist noch eines der letzten Abenteuer, dass die Menschen 
              noch haben auf dieser Welt. Genau so verhalten sich einzelne Achikten. 
              Ihr Entwurf ist das Absolute und Ihnen ist egal, wenn einzelne Menschen 
              nicht in das Gebäude hinein kommen. Mit dieser Einstellung 
              habe ich auch heute noch grosse Mühe. 
            Was 
              ist Dein Wunsch für die Zukunft.
            E.B.: 
              Mein Wunsch für die Zukunft richtet sich eher an die Betroffenen. 
              Viele Behinderte getrauen sich noch nicht, die vorhandenen Infrastrukturen 
              zu benutzen. Es war auch ein Ziel des Stadtplanes, aufzuzeigen was 
              ist heute alles rollstuhlgängig, was ist alles machbar. Bitte 
              benutzt dies auch. Vieles ist noch nicht perfekt, aber einiges hat 
              sich bereits verbessert. Benutzt dies um der Bevölkerung auch 
              zu zeigen, dass es notwendig ist. Ich denke, nur wenn der Betroffene 
              in der Öffentlichkeit erscheint und dadurch klar zeigt, ich 
              benütze die Infrastruktur, wird sie auch verbessert.  
            Heisst 
              das: Bedürfnissnachweis durch Erleben?
            E.B.: 
              Genau dies ist ganz entscheidend. 
            Zum 
              Schluss hast Du noch die Möglichkeit eines Schlussatzes:
            E.B.: 
              Danke das benutze ich gerne, indem ich alle Rollstuhlfahrer/innen 
              von Basel-Stadt aufrufe: 
              Schreiben 
              Sie an das Baudepartement von Basel-Stadt, zHd. Frau Dr. B. Schneider, 
              dass Sie als Bewohner/in in der Stadt Basel weder die Einwohnerkontrolle 
              beim Spiegelhof noch das Rathaus selbständig benutzen können. 
              Schreiben Sie, dass es für Sie unverständlich ist, dass, 
              obwohl die Probleme seit langem bekannt sind, keine vernünftige 
              Lösung gefunden worden ist, und dass Sie als Bewohner/in mit 
              diesem Zustand absolut unzufrieden sind. 
            Eric, 
              ich danke Dir für das Gespräch.
            Roland 
              Rüegg/IVB 
            
                
                  
            
            
             
               
                Mitteilungen 
                  / Ergänzungen: eMail: ivb@ivb.ch  
                
              
            
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